Die kaputte Elite und Wir sind das Kapital: Zwei Bücher, zwei Sichtweisen, eine Schlussfolgerung. Vieles läuft schief in unserem Wirtschaftssystem der Konzerne, Banken und Beratungsfirmen. Jetzt bist du selbst gefragt: Wo steckt der Entrepreneur in dir?
Benedikt Herles hat an Eliteuniversitäten BWL studiert und anschließend bei einer der großen Unternehmensberatungen angeheuert. Schon nach kurzer Zeit ist er ausgestiegen, desillusioniert und abgeschreckt.
In seinem Buch Die kaputte Elite* liefert er eine präzise und schonungslose Beschreibung der aktuellen Management-Probleme unserer Wirtschaft.
„Die Marktwirtschaft erlebt eine ihrer dunkelsten Stunden. Das neue Jahrtausend startete mit einer Dekade der Gier. Der so viel beschworene ehrbare Kaufmann scheint sich vor langer Zeit ins Exil verkrümelt zu haben. Nicht nur das Einkommen, auch das Glück der Menschen stagniert. Und niemand will es gewesen sein.“ (S. 17)
Dabei glaubt Herles an den Markt, er glaubt an den Kapitalismus – dieser müsse jedoch anders gelebt und vor allem anders gelehrt werden. Wer die aktuelle Krise des Managements lösen wolle, müsse an den Hochschulen beginnen.
Als Gehirnwäsche bezeichnet er das BWL-Studium: Ohne moralischen Kompass bilde man an vielen Unis „fantasielose, ängstliche Technokraten und hechelnde Gewinnmaximierer wie am Fließband“ aus (S. 37).
Willkommen im Hamsterrad
Den Einstieg in die Welt der Wirtschaft und der Unternehmensberatung hatte sich Benedikt Herles anders vorgestellt: Statt spannender und kreativer Aufgaben, wartete nur stupide Fleißarbeit – das aber gerne auch mal 20 Stunden pro Tag.
„Einmal erfolgreich rekrutiert, ist Köpfchen nicht mehr gefragt. Junge Berater müssen Excel und PowerPoint beherrschen, sonst nichts.“ (S. 67)
In der Welt der Technokraten wird geplant, analysiert, quantifiziert und budgetiert. Aber wird auch echter Nutzen gestiftet und Wert geschaffen?
Das vorherrschende Prinzip des „Shareholder Value“ – Wohlstand der Aktionäre als oberstes Ziel – ist für Herles „der vielleicht menschenfeindlichste Irrglaube der letzten Dekaden“.
Maximaler Profit im Quartalsrhythmus: Gemeinsam mit dem Versagen der wirtschaftsmathematischen Prognosemodelle hat uns diese Art des Managements in die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre gesteuert. Erst jetzt macht sich die Erkenntnis breit:
„Märkte sind irrational, genau wie die einzelnen Marktteilnehmer. Die Wirtschaft ist kein naturgegebenes, sondern ein von Menschen geschaffenes System. Sie ist lebendig und chaotisch.“ (S. 56)
Der Battle Call: Agiles, unternehmerisches Management statt technischer Bürokratie
Benedikt Herles kommt zu dem Fazit, dass Management und Unternehmensberatungen einen „Teufelskreis aus strategischem Einheitsbrei und immer neuem Produktivitätsdruck“ geschaffen haben (S. 86.).
Anstatt auf Innovation und Kundenorientierung setzen viele Unternehmen allein auf Effizienz und Kostenmanagement.
Doch wer innovativ sein will, muss unternehmerisch denken und handeln!
Und genau hier gibt es ein großes Problem: Verunsichert durch die Glaubwürdigkeits- und Stabilitätskrise unserer Wirtschaft in den vergangenen Jahren, wünschen sich viele Menschen ein stärker kontrolliertes Wirtschaftssystem.
Man hofft, der Staat und die Politik könnten vielleicht vollbringen, was der Wirtschaftselite nicht gelingt.
„Dass ein Eingreifen der Obrigkeit immer auch mit einem Verlust der individuellen Freiheit einhergeht, ist für viele nicht mal ein Übel. Gute Zeiten für Populisten, schlechte Zeiten für liberale Gedanken.“ (S. 150)
„Wir müssen selbst in den Ring steigen.“
Einer, der mit seinen Gedanken und seiner Lehre schon seit vielen Jahren genau hier ansetzt, ist Günter Faltin, Professor für Entrepreneurship an der FU Berlin. Sei neues Buch Wir sind das Kapital* ist ein Plädoyer, das bestens an die Analysen von Benedikt Herles anschließt – denn das Credo lautet:
„Wir haben die Chance, eine bessere Welt zu bauen. Liebevoller, witziger, feinfühliger und künstlerischer, als es je zuvor möglich gewesen ist. Aber wir müssen selbst in den Ring steigen, es selbst in Gang bringen, es selbst unternehmen. Es nicht den bloßen Gewinnmaximierern überlassen.“
Mit seinem neuen Buch knüpft Günter Faltin an seinen Bestseller Kopf schlägt Kapital* an. Erneut schafft er es auf überzeugende Art und Weise, Gründergeist und Begeisterung für Entrepreneurship zu vermitteln.
Dabei spart auch er im ersten Teil von Wir sind das Kapital nicht mit Gesellschafts- und Wirtschaftskritik. Ganz besonders im Visier hat er das moderne Marketing:
„Als Universitätslehrer der Ökonomie […] packt mich die Wut wenn ich die Entwicklung der modernen Marketingökonomie beobachte. Es ist Irrsinn, im wahrsten Sinne des Wortes, für Marketing immer mehr Mittel zu verbrauchen. Die Ökonomie bezieht ihre Legitimation aus dem sparsamen Umgang mit Mitteln. Das ist ihr Berufsethos.“ (S. 32.)
Innovation von unten
Im zweiten Teil des Buches versucht Günter Faltin seine Leser dafür zu gewinnen, die Ökonomie selbst in die Hand zu nehmen und selbst etwas zu unternehmen. Nicht sei befriedigender, „als etwas zu tun, was man gerne tut, was man sich immer gewünscht hat, was den eigenen Werten und Wünschen, den eigenen Neigungen und Talenten entspricht und was obendrein hohen materiellen und immateriellen Nutzen stiftet“.
Faltin bemängelt, dass unser Schulsystem nicht vorsehe, Menschen zu ökonomischer Mündigkeit zu verhelfen. In der Folge gilt das Unternehmerdasein in unserer Gesellschaft als etwas Elitäres, das nur einem kleinen Kreis vorbehalten ist.
Nicht jeder muss an Hightech- Technologien und disruptiven Innovationen und Patenten arbeiten, um Unternehmer werden zu können. Unter dem Motto „Innovation von unten“ und mithilfe sogenannter konzeptkreativer Geschäftsideen will Günter Faltin einen deutlich größeren Kreis an Menschen für die Umsetzung einer eigenen Idee gewinnen.
Ideen müssen zur Person UND zum Markt passen
Im dritten Teil des Buches geht es ans Eingemachte: Mit dem Entrepreneurial Design stellt Günter Faltin seinen Ansatz vor, mit dem einfache, klare und praktische Geschäftsideen entwickelt und umgesetzt werden können.
Eine Besonderheit seines Ansatzes, die Parallelen zum Smart Business Design zeigt, ist der Aufruf, eine Gründungsidee stimmig zur eigenen Person zu entwickeln – und erst im zweiten Schritt stimmig zum Markt.
„Das Konzept muss stimmig zum Markt sein – richtig. Aber wenn es nicht auch stimmig zur Person des Gründers ist, laufen wir Gefahr, dass die Energie, die Leidenschaft und die Ausdauer nicht ausreichen, den langen Weg vom ersten Einfall zum ausgereiften Konzept, zur erfolgreichen Markteinführung und schließlich zum Aufbau und Wachstum eines erfolgreichen Unternehmens gehen zu können.“ (S. 126)
In der Folge zeigt Faltin die verschiedenen Phase und Bausteine genau dieses kurvenreichen Weges von der Idee bis zum marktfähigen Konzept auf und veranschaulicht die Aspekte an zahlreichen Beispielen.
Einen ersten Eindruck vom Ansatz des Entrepreneurial Design vermittelt auch diese Videoreihe mit Günter Faltin.
Fazit
Beide Bücher, Die kaputte Elite* und Wir sind das Kapital*, sind tolle Anstiftungen, selbst aktiv zu werden und Ökonomie zu gestalten.
Benedikt Herles hat es geschafft, sehr kompakt und auf den Punkt die Kritik an Management, Wirtschaftselite und Unternehmensberatung zusammenzufassen, die zurecht immer lauter wird in der Gesellschaft. Das Buch sollte insbesondere jeder lesen, der selbst in der Beratungswelt oder im Management arbeitet – oder mit dem Gedanken spielt, einmal dort zu landen.
Günter Faltin gelingt es, auf Basis theoretisch fundierter und fast schon philosophischer Grundlagen des Unternehmertums einen visionären Entwurf einer neuen Ökonomie zu zeichnen. Dabei belässt er es aber nicht, sondern gibt mit dem Entrepreneurial Design allen, die sich von seinem Aufruf inspirieren lassen eine konkrete und praktische Anleitung mit auf den Weg, um mit konzeptkreativen Geschäftsideen durchzustarten.